Ein ziemlich verzwickter Krimi von Günter Verdin
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„Jeder Grieche“, sagte Vater Hans vergnügt, „ muss einmal in seinem Leben ein Olivenbäumchen gepflanzt, ein Buch gelesen und ein Hotel gebaut haben. „ Die Familie Steinberger hatte den Sommerurlaub auf der griechischen Insel Zakynthos verbracht, und auf dieser Insel gibt es tatsächlich sehr viele Hotels, auch viele Hotelrohbauten, die wegen der Überschuldung der Besitzer nicht fertiggebaut werden können, weiters viele Olivenbäume und wenig Buchhandlungen.“ Wenigstens wurde unser Auto nicht gestohlen! seufzte Mama Maria. „ Der Parkplatz am Flughafen ist doch bewacht, „ meinte Papa, du liest einfach zu viele Kriminalromane! „
Im – übrigens zitronengelben - Auto schwirrten die Stimmen durcheinander, wie das so ist, wenn man vom Urlaub nach Hause kommt und der Abschiedsschmerz, der sonnigen Insel gilt, noch die Wiedersehensfreude auf zu Hause überdeckt.
„ Ich habe mir selbst drei Ansichtskarten geschrieben“ quäkte der siebenjährige Toni aus dem Fonds des Autos, „es müssten also mindestens vierzehn Karten für mich im Postkasten sein, wenn alle meine Freunde auch wirklich geschrieben haben. „ Die fünfjährige Sonja erzählte ihrer Puppe: „ Heute werden wir zum ersten Mal in unserem neuen Haus übernachten. Da gibt es noch keinen Strom und auch kein Wasser, aber dafür ist es ganz nah am Waldstrand.“
„ Eine Menge Arbeit wartet noch auf uns, seufzte Mama Maria. Sieh das doch einmal von der positiven Seite, „ meinte der Vater, „was haben wir nicht alles schon geschafft: das Haus steht, und wir haben es selbst gebaut und damit eine Menge Geld gespart. Als nächstes werde ich mir die Heizungs- und Elektro-Bausätze vornehmen. Die Systeme sind ja jetzt schon ausgereift, dass das auch nicht so schwer werden wird.“
„Wollen wir heute nicht lieber doch noch in der Stadtwohnung übernachten?“fragte Mama Maria skeptisch . Starker Protest meldete sich vom Fahrersitz und aus dem Wagenfonds. „In einem Monat wollen wir umziehen,“sagte Papa, „höchste Zeit, dass wir uns an unser neues Zuhause gewöhnen.“ „Ich werde mich nie daran gewöhnen“, murmelte Mama verzagt, „eine halbe Stunde ins Dorf zum Einkaufen.....“
„Oh teure Heimat“ sang Toni, immer einen Halbton neben der richtigen Melodie. Und Sonja schmetterte dagegen: „In die Berg` bin i gern“. Da stimmte Vater übermütig „Hoch auf dem zitronengelben Wagen“ an. Nur Mama Maria wackelte besonnen mit dem Kopf: „Gib acht, Hans, hier kommt die Abzweigung.“
Das zitronengelbe Auto bog nun in die Landstraße ein, die direkt durch das Dorf führte. Jetzt klopfte doch allen das Herz ein wenig höher. Der Wagen näherte sich dem Waldrand. Vater Hans stieg auf die Bremse. „Jetzt habe ich doch die falsche Abzweigung genommen.“ Die Straße war breit genug, um zu wenden. Also zurück ins Dorf. Von hier nochmals in Richtung Wald. Und noch einmal zurück ins Dorf. Und wieder zum Wald. „So,“ sagte Vater Hans, jetzt ist es aber Zeit, dass wir aus diesem Traum aufwachen!“
„Hans“ murmelte Mama müde, „das ist kein Traum, das ist wie im Kriminalroman: Unser Haus ist weg, es steht nicht mehr da!!!!“ Die total verwirrte Reise-Gesellschaft war inzwischen ausgestiegen. Vater Hans rieb sich die Augen: „Keine Spur von unserem Haus!“
„Doch,“ schrie Toni, schaut, der Briefkasten ist noch da, im Gras!“
Und triumphierend, als hätte die Welt jetzt keine anderen Sorgen, hielt Toni genau vierzehn Ansichtskarten in der Hand ....(Fortsetzung folgt)
II
Was bisher geschah: Die Familie Steinberger, also Mama Maria, Vater Hans, die fünfjährige Sonja und der siebenjährige Toni, kehrt vom Urlaub auf der griechischen Insel Zakynthos zurück. Vom Flughafen fahren sie im zitronengelben Wagen schnurstracks nach Hause. Zum ersten Mal wollen die Steinbergers im neuen Haus am Waldrand übernachten. Doch es ist wie in einem Kriminalroman: vom schönen Fertighaus ist nur mehr der Briefkasten da. Hier nun die Fortsetzung:
Während Toni sich über die vierzehn Ansichtskarten nicht mehr so recht freuen konnte, während die kleine Sonja ihrer Puppe zuflüsterte, sie dürfe jetzt auf keinen Fall lachen, musterte Mama Maria den unerwartet leeren Schauplatz und wirkte in ihrem Bestrebungen, Ordnung in die Angelegenheit zu bringen, ein wenig hilflos. Sie nahm aus dem Briefkasten die zahlreichen Werbezettel – man kann nicht nah genug am Waldrand wohnen, die Werbung erreicht einem überall, dachte sie -, hob sorgfältig einen zerknüllten Zettel auf und streckte, da weit und breit noch keine Papiertonne zu sehen war, alles in einen Plastiksack. Vater Hans hatte inzwischen per Handy den Dorfgendarm herbeitelefoniert.
„So so“ sagte der mit schlauem Gesichtsausdruck, „Sie vermissen also ein Haus. Und das Haus ist einfach spurlos verschwunden? Wahrscheinlich hat es nur einen Ausflug gemacht, haha! Wissen Sie was, mein lieber Herr, Sie kommen jetzt mit auf die Wachstube. Vielleicht haben Sie ja auch nur ein bisschen zu viel getrunken.“
Vater Hans fand diese Unterstellung ziemlich empörend, aber sein Protest verhallte unerhört. Immerhin durfte Familie Steinberger, zum ersten Mal und völlig unschuldig mit der Polizei im Konflikt, im eigenen zitronengelben Wagen ins Dorf hinunterfahren, Mama am Lenkrad, weil ihr der Gendarm höflicherweise überhöhten Alkoholkonsum nicht zutraute.
Nachdem sich der wackere Gendarm per Alkotest überzeugt hatte, dass Papa Hans völlig nüchtern, man könnte auch sagen total ernüchtert war, nahm er die Anzeige doch zu Protokoll, nicht ohne immer wieder den Kopf zu schütteln, in dem die gesammelte Erfahrung sich gegen das spurlose Verschwinden von Häusern sperrte.
Wieder auf der Dorf-Hauptstraße begann Mama ihr kriminalistisches Wissen aus häufiger Romanlektüre in die Praxis umzusetzen.
Der Bäckermeister stand vor seinem Laden: „Haben Sie nicht : „Haben Sie nicht unser Haus gesehen?“ fragte Mama und erklärte ihm die schwierige Situation. „Ihr Haus? Am Waldrand? Da stand ein Haus? Sind Sie sicher? Also lange kann es da nicht gestanden haben. Wir hatten jetzt vier Wochen Betriebsferien. Vorher stand es jedenfalls nicht da!“ Na gut, dachte sich Mama Maria, es gibt ja auch noch den Fleischhauer im Dorf....
„Warten Sie einmal,“ sagte der Bäckermeister plötzlich, „meine Frau hat mir da vor ein paar Tagen eine seltsame Geschichte erzählt.“
III
Was bisher geschah: Die Familie Steinberger, also Mama Maria, Vater Hans, die fünfjährige Sonja und der siebenjährige Toni, kehrt vom Urlaub zurück. Zum ersten Mal wollen die Steinbergers im neuen Haus am Waldrand übernachten. Doch es ist wie in einem Kriminalroman: vom schönen Fertigbauhaus ist nur mehr der Briefkasten da. Der Bäckermeister im Dorf erinnert sich an die seltsame Geschichte, die ihm seine Frau berichtet hat:
„Meine Frau“ erzählt der Bäckermeister, „ war vor einigen Tagen mit dem Fahrrad auf der Landstraße unterwegs, als ihr ein ungemein breiter Tieflader entgegenkam. Und auf diesem Tieflader stand ein Haus. Wir haben erst unlängst ein Foto aus Amerika gesehen, wo solche Häuser, wenn sie beim Straßenbau im Wege stehen, einfach aufgeladen und kilometerweit versetzt werden. Trotzdem erkundigte sich meine Frau beim Fahrer dieses Schwertransports. Der war relativ einsilbig und sagte nur etwas von einer Sendung mit der versteckten Kamera, und dass er nicht mehr verraten dürfe.“
„Von wegen: versteckte Kamera!“ Papa japste nach Luft. Das sind Profigauner. Die haben unser Haus abtransportiert, um es irgendwo an einem geheimen Ort in seine Einzelteile zu zerlegen und weiterzuverkaufen.“
„Oder“, kombinierte Mama detektivisch schlau, „sie verkaufen es als ganzes Haus, laden es irgendwo ab. So schnell kommt man zu einem Fertighaus!“
„Logisch“, sagte Papa, „dann müssen wir ja nur in der nächsten und weiteren Umgebung nach unserem Haus suchen.“
„Nicht ganz einfach“, meinte Mama nüchtern, „ein Haus zu suchen, das so aussieht wie tausend andere Fertighäuser mit Selbstbausystem auch!“
„Bis auf die zitronengelbeFarbe“, warf Papa ein. „Und du hast immer über meine Lieblingsfarbe gemekert.“Toni und Sonja bewunderten mit aufgerissenen Mündern ihre schlauen Eltern.
„Ich glaube, ich habe da eine heiße Spur“ sagte Mama bedeutungsvoll.
„Ich habe nämlich vorhin einen Zettel von der Wiese aufgehoben.“ Sie holte das zerknitterte Blatt hervor und glättete es. Auf der Rückseite standen ein paar Kugelschreiber-Notizen, die es vielleicht später noch zu entziffern galt. Vorne aber war Werbung aufgedruckt. Mama Maria las laut vor: „Haben Sie Umzugsprobleme? Wir versetzen für Sie sogar Häuser! Transporte Maier.“ Ein Anruf bei der angegebenen Nummer ergab freilich nur, dass die Firma selbst Opfer eines Diebstahls geworden war: ein überbreiter Tieflader war nämlich vor drei Tagen von unbekannten Tätern gestohlen worden.“
„Vor drei Tagen“, kombinierte Mama messerscharf, „weit können die Diebe also nicht gekommen sein. Auf, wir fahren jetzt in die Stadt!“ Eine hingekritzelte Telefonnummer auf der Rückseite der Anzeige von „Transporte Maier“ hatte Mamas ganz besonderes Interesse geweckt.
„Nein, nein,“ so sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, „ wir sind noch gar nicht in das Haus eingezogen. Ja, es ist neu....Ja, wir haben mit den Verkäufern ausgemacht, dass dieses schreckliche Zitronengelb überstrichen wird.... Stellen Sie sich vor, ein fertiges Haus, ehrlich gesagt kam uns der Preis extrem günstig vor, nur 100.000 Schilling. Nein, wir haben noch nicht bezahlt, wir wollten einen Tag Probewohnen. Ja, heute wollen sich der Verkäufer wegen des Geldes bei uns melden.....“
„Liebe Elisabeth“, schreibt Toni auf die nun elfte Postkarte, „ich muss dir noch schnell erzählen, wie die Sache ausgegangen ist. Die Diebe wurden von der Polizei in Empfang genommen, als sie das Geld abholen wollten. Und als erstes wurden sie dazu verdonnert, unser Haus dorthin zu transportieren, wo sie es gestohlen hatten.“Sonja singt ihrer Puppe leise ein Wiegenlied. Mama nimmt eine Liebesgeschichte zur Hand,
.“
von Kriminalroman hat sie fürs erste genug. Und Papa sagt: „Jetzt erst sind wir richtig zu Hause.“
Er schließt sorgfältig die Eingangstüre des wunderschönen, einzigartigen, weil zitronengelben Hauses am Waldrand ab und denkt, während er den Schlüssel umdreht, dass die Gangster jetzt wohl hinter Schloss und Riegel sitzen werden.......
Stellt euch vor:
Diebe stahlen wirklich ein ganzes Haus!
ZEITUNGSMELDUNG:
Cottbus (AP) Bei einem Einbruch im brandenburgischen Briesen haben Diebe gleich ein ganzes Haus mitgenommen. Die Täter stahlen das amerikanische Fertigteilhaus aus einer Lagerhalle, wie ein Sprecher der Cottbuser Polizei mitteilte. Der Besitzer, ein Fertigteilhaushändler, sei zuletzt im Juli in der Halle gewesen und habe den Diebstahl erst jetzt bemerkt. Das Haus hat einen Wert von rund 300.000 DM. Wie die Einbrecher ihr geräumiges Diebsgut abtransportierten, ist unklar.
Und noch ein Tipp für die Eltern: www.verdinguenter.blogspot.com
Samstag, 7. August 2010
Alle mal herlesen! Diese Geschichten gibt es noch nicht als Buch: für Euch gratis!
Im Zirkus ist der Löwe los!
Von Günter Verdin
Sommerferien! Kein Wort löst in Kinderköpfen mehr und schönere Gedankenverbindungen aus: Wasser, Sonne, Himbeereis , Abenteuer ... Sommerferien, das ist wie ein Zirkus mit Superprogramm bei freiem Eintritt. Ich fahre in den Sommerferien gerne für ein paar Tage an den Tatort meiner Kinderstreiche zurück, in ein kleines, schmuckes Dorf in Niederösterreich. Auch heute schwirrt es hier nur so von unternehmungslustigen Knirpsen, einheimischen wie Touristenkindern, und die Luft ist voller Abenteuer. Und manchmal geschehen die unglaublichsten Dinge.
Der Zirkus gastiert im Dorf. Es ist einer jener Wanderzirkusse, die täglich mit harter, aber ehrlicher Artistenarbeit um ihr Weiterbestehen kämpfen. In einem solchen Familienunternehmen müssen auch schon die Kleinsten trainieren und sich auf ihre Auftritte in der Manege vorbereiten. Sie toben jetzt noch als Mini-Clowns durch die Manege, später werden sie wie ihre älteren Geschwister größere Aufgaben übernehmen. Dieser Zirkus trägt den verheißungsvollen Namen „Tohuwabohu“ und bietet ein schräges, lustiges Programm voller phantasievoller Einfälle. Gänse reiten auf Ponys, zwei wunderschöne Schimmel tanzen Wiener Walzer, und der Zirkusdirektor tritt unter anderem auch als Wort-Akrobat auf: er lässt sich von den Besuchern Begriffe zurufen und macht dann spontan kleine Gedichte daraus. Zum Beispiel: Sommerferien.
In den Sommerferien
Fahr ich niemals nach SCHWERrin.
LEICHT ist die Reise nicht dahin,
deswegen besuche ich mal Wien.
Es gibt immer viel Applaus für diese Art der sorglosen Blitzdichterei, aber den größten Beifall bekommt immer Franz, der Sohn des Zirkusdirektors. Franz balanciert mit dem Fahrrad auf dem in mittlerer Höhe gespannten Seil, was von den meist sehr jungen Besuchern atemstockend verfolgt wird. Wenn Franz dann aber noch mit dem Tretross über seine auf dem Seil liegend balancierende Schwester springt und auf der anderen Seite sicher aufkommt, da kennt der Jubel der Anerkennung keine Grenzen mehr.
Da es sich schnell herumspricht, wenn ein Zirkus etwas Besonderes zu bieten hat, anregende Artistik zum Beispiel, angesichts welcher die Sensation erst im Kopf des Zuschauers entsteht, ist das Zelt von „Tohuwabohu“ immer bis auf den letzten Platz gefüllt.
Wo kommt der Löwe her?
So auch heute wieder: der Zirkusdirektor bedient die Stereoanlage – eine richtige Band kann sich das Unternehmen nicht leisten -, Trommelwirbel vom Band erklingt, und Franz setzt mit seinem Fahrrad wieder einmal zum Sprung an. Da erklingt durch das Mikrofon eine grelle entsetzte Stimme: „Der Löwe ist los! Der Löwe ist los!“ Franz fällt vor Schreck fast vom Seil. Und ehe der Zirkusdirektor noch rufen kann: „Wir haben doch gar keine Löwen!“, rast die Bestie bereits in die Manege. Die Kindern laufen in Panik laut schreiend aus dem Zelt. Der Zirkusdirektor schlägt verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen. So ein Vorfall kann ein Unternehmen ruinieren, denn das Gerücht macht schnell die Runde, dass die Sicherheit der Besucher nicht garantiert sei. Nur Franz behält kühlen Kopf. Erst hilft er seiner Schwester vom Seil, und dann stellt er sich kühn vor die Bestie und gibt laut und bestimmt den Befehl: Sitz!“
TEIL 2 der Geschichte
Samstag, 7. August 2010Im Zirkus ist der Löwe los Teil 2
Was bisher geschah: Während der wie immer gut besuchten Vorstellung des Zirkus „Tohuwabohu“ ertönt durch das Mikrofon eine grelle entsetzte Stimme:“Der Löwe ist los! Der Löwe ist los!“ Die Kinder verlassen panikartig das Zelt, obwohl der Zirkusdirektor ihnen nachruft:“Wir haben doch gar keine Löwen!“ Da rast die Bestie auch schon in die Manege. Nur Franz, der Sohn des Zirkusdirektors, behält einen kühlen Kopf. Er stellt sich vor die Bestie und sagt:“Sitz!“
Die Bestie erstarrt wie verwundert. Dann bequemt sie sich auf den Hinterbeinen Platz zu nehmen. Beim Löwen heisst es natürlich Hinterläufe. Aber Franz hat schnell erkannt, dass der Löwe nur – ein Hund war. „So,“ sagt Franz, jetzt nehmen wir den schrecklichen Löwenkopf einmal ab .“ Zum Vorschein kommt der treuherzige Blick eines jungen Schäferhundes. „Und jetzt,“ sagt Franz gütig, “gibt es erst einmal eine Knackwurst, und dann spielen wir Kommissar Rex. Bei Fuß! Und wo ist denn dein Herrchen?“ Der Hund trabt ergeben vor Franz her, in Richtung des Nachbardorfes. Bei einem Busch am rechten Wegesrand jault „Rex“ erfreut auf und wedelt wie verrückt mit dem Schwanz. Hervor kommt ein ziemlich zerknirschter Junge, ungefähr so alt wie Franz. Der schuldbewusste Knabe heisst Roman und dementsprechend hat er sich folgende Geschichte ausgedacht: der Zirkus seines Vaters hat den Namen „Spinelli“ und gastiert im Nachbardorf. Der Zirkus ist immer leer, weil die Konkurrenz von „Tohuwabohu“ so groß ist. Roman wollte also mit seinem bösen Streich dem Ruf des Kontrahenten schaden, um das Publikum ins Nachbardorf zu locken. Franz ist entsetzt: „Wir Zirkusleute sollten doch nicht gegeneinander kämpfen. Ich glaube immer noch daran, dass wir Artisten hart, aber ehrlich arbeiten.“ „Wir haben doch auch ein tolles Programm.“ meint Roman verzagt, „ aber alle reden nur von deinem Fahrrad-Balance-Akt, und nicht von unserer Löwendressur: unser Hund nimmt das spielerisch, er hat sich an den Löwenkopf gewöhnt und springt sogar durch brennende Reifen.“ Franz und Roman regeln die Sache wie unter Männern. Roman verspricht mit großem Ehrenwort, nie wieder so ein Ding zu drehen. Und Franz beruhigt seinen aufgebrachten Vater. Er überzeugt ihn sogar davon, dem Konkurrenz-Zirkus mit einer Gutschein-Aktion beim Kartenverkauf zu helfen.
Auf meinem Spazierweg von einem Dorf zum anderen trotten mir zwei Jungen und ein Schäferhund entgegen, der einen täuschend echt aussehenden Löwenkopf aus Pappmaché im Maul hat. „Na,“ frage ich launig, wie Erwachsene nun einmal sind, „habt Ihr den Löwen besiegt?“ „Noch nicht ganz.“ antwortet der eine Bub. „Denn der grimmigste Löwe wütet in uns drinnen: es ist der Neid.“ „Alle Achtung,“ sagte ich, „willst Du einmal Philosoph werden?“ „Nein,“ sagt der Junge, „ganz bestimmt nicht. Ich werde Zirkusdirektor.“
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