Der kleine Junge. Er kann nicht schlafen. Er hört die ruhigen Atemzüge seiner jüngeren Geschwister, die in ihren Betten dem Nikolaustag entgegenträumen. Aber der Nikolaus wird auch heuer nicht zu ihnen kommen. Seit Vater vor zwei Jahren mit dem Motorrad verunglückt ist, gibt es keine Geschenke mehr. Die Mutter versucht, mit ein bisschen Heimarbeit Geld aufzutreiben. Es fehlt an allen Enden und Ecken ...
Und da ist dieser wunderschöne rote Apfel. Michel, so heisst der kleine Junge, hat ihn gut versteckt. Aber der Duft steigt ihm doch in die Nase. Dieser rote Apfel ist ein Geschenk für die Mutter. Vielleicht kann er ein Lächeln ihn ihr trauriges Gesicht zaubern.
Und der rote Apfel duftet. Und Michel hat ein schlechtes Gewissen. Denn es muss ihn der Krampus geritten haben: er hat den Apfel aus der Steige vor dem kleinen Obstgeschäft geklaut. Und Michel überlegt: der Obsthändler ist sicher auch kein reicher Mann. Aber kann denn etwas, das mit guter Absicht getan wird, wirklich schlecht sein? Michel denkt hin und her und er denkt ein bisschen auf Umwegen um die Antwort herum, die er längst weiss: eine gute Absicht kann die böse Tat nicht rechtfertigen. Und die Mutter wird keine Freude haben an einem roten Apfel, der gestohlen ist. Und der Vater, der jetzt im Himmel ist, wird enttäuscht von seinem Sohn sein ...
Am Nikolaustag, gleich nach der Schule, bringt Michel den Apfel zurück. Doch plötzlich, als er den Apfel ganz unauffällig in die Steige zurücklegen möchte, baut sich der Obsthändler drohend vor ihm auf. Michel hat Angst, aber er weiss von seinem Vater, dass man dazu stehen muss, wenn man etwas angestellt hat. Der Obsthändler, der Herr Stronegger, ist kein böser Mann. Und er ist ja auch einiges gewöhnt. Aber dass ein kleiner Junge einen schönen roten Apfel heimlich in die Steige legt, ist ihm noch nicht vorgekommen. Eher doch das Gegenteil.
Michel erzählt Herrn Stronegger alles und bittet – nein, er heult nicht,- na ja ein kleines bisschen – um Verzeihung. Soso, sagt Herr Stronegger, und schüttelt nachdenklich den Kopf, ich weiss ja, wo ihr wohnt. Bitte nichts der Mutter sagen, bettelt Michel. Hm, murmelt der Herr Stronegger, geh jetzt nach Hause...
Die kleinen Geschwister toben herum. Michel ist ziemlich still und bedrückt. Vielleicht kommt der Nikolaus ja nächstes Jahr, versucht er die Kleinen zu trösten.
Es ist ist schon dunkel draussen. Heute werde ich vielleicht besser schlafen, denkt Michel, weil ich doch jetzt ein gutes Gewissen habe. Es klingelt an der Wohnungstür. Die Mutter macht auf. „Aber, Herr Stro ...“ stammelt sie. Doch der Nikolaus lächelt milde: „Auch die Erwachsenen müssen lernen zu begreifen, dass nicht alles wahr ist, was sie sehen. Manchmal nämlich ist das, was sie glauben können, wahrer.“
Und der Nikolaus schreitet erhaben in das Wohnzimmer. Er stellt einen großen Obstkorb auf den Tisch. Und für die Kinder gibt es ausserdem Schokolade und sogar Spielsachen. „Ich weiss, “ sagt der Nikolaus, „dass ihr alle sehr brav gewesen seid. Und dass ihr eurer Mutter helft so gut es geht. “
Die Freude ist unvorstellbar groß. Die Mutter wischt sich heimlich ein paar Tränen aus den Augen. Und würdig schreitet der Nikolaus von dannen. Im Hinausgehen – keiner sonst kann es sehen – drückt er Michel einen wunderschönen duftenden roten Apfel in die Hand...
Und noch ein Tipp für die Eltern: www.verdinguenter.blogspot.com
Sonntag, 5. Dezember 2010
Donnerstag, 14. Oktober 2010
Was macht der Wald im Wald?
Ein Ferien- Krimi von Günter Verdin
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Der Bürgermeister des kleinen Dorfes im Waldviertel hält eine Ansichtskarte in der Hand und betrachtet sie wehmütig. „So hat einmal unser Marktplatz ausgesehen,“ sagt er zu Alexander, seinem Sohn. „Alle Häuser waren mit Blumen geschmückt, ein einladendes Gasthaus neben dem anderen, und hier war der Greißler, bei dem die Touristen gerne Obst eingekauft haben. Das war einmal ein Dorf wie - “, der Bürgermeister sucht nach Worten; Moment, jetzt hat er sie: „- wie eine Ansichtskarte eben!“
Der Bürgermeister legt den Arm um die Schultern seines Sohnes und blickt mit ihm aus dem Fenster der Gemeindestube auf den Marktplatz. „Na ja, die Kirche haben sie noch im Dorf gelassen.“ seufzt er. „Und der Brunnen steht auch noch. Das Schulhaus haben wir hübsch renoviert. Die Gaststätten gibt es nicht mehr, der Greißler hat sein Geschäft auch aufgeben müssen. Die Pacht wurde von Jahr zu Jahr erhöht. Die Fassaden der Häuser sehen schrecklich aus: der Putz bröckelt, die Fensterscheiben sind dreckig, manche sind eingeschlagen...“ Der Bürgermeister nimmt einen Feldstecher und peilt das windschiefe Dach eines der hässlichen Häuser an. In der Dachrinne nistet ein Amselpaar. „Ja, ja,“ seufzt der Bürgermeister, „euch gefällt es überall, nur die Touristen bleiben aus.“ „Ich werde niemals Bürgermeister!“ sagt Alexander sehr überzeugend.
*
Im Schulhaus ist Elternabend. Der letzte vor den Sommerferien. Die Eltern sind ratlos. Nicht wegen der mehr oder weniger schlechten Noten in den Zeugnissen. „Was ist denn bloss in unsere Kinder gefahren? Es kann doch nicht sein, dass alle plötzlich so vergesslich sind? “ Nun, alle, das ist ein bisschen übertrieben. Aber merkwürdig ist die Sache schon. Sechs Buben haben in der letzten Woche ihr Handy verloren. Alles Suchen hilft nichts; die Handys sind weg...
*
Deswegen gibt Alexander jetzt besonders gut auf sein Handy acht. Gerade bekommt er eine rätselhafte SMS. „Morgen um 2 bei der Blockhütte im Wald! Und kein Wort zu irgendjemanden! Sonst passiert was!“ Das Ganze natürlich ohne Absender. Auch die Rufnummer des Verfassers der Nachricht ist nicht zu sehen. Aber: Erstens lässt sich Alexander nicht einschüchtern. Und zweitens wittert er ein Abenteuer. Drittens weiht er seine besten Freunde Hans und Peter ein. Alle drei beschliessen, und zwar gegen ihr besseres Wissen, die Erwachsenen vorerst nicht einzuweihen. Ob ihnen das noch Leid tun wird?
Am nächsten Tag steigt Alexander zur Blockhütte auf. Hans und Peter sind auf Nebenpfaden schon vorweg geschlichen, um die Lage zu sondieren und eventuell einzugreifen, wenn es gefährlich werden sollte.
Alexander wird von zwei Jungen erwartet, die er nicht kennt und die um Etliches älter sind als er; also mindestens zwei, drei Jahre! Sie packen ihn, er wehrt sich natürlich, nur anstandshalber, weil er die Ausweglosigkeit der Situation erkennt; die beiden sind einfach viel stärker als er. „Wir verbinden dir jetzt die Augen.“ knurrt der eine Junge gefährlich. „Und keinen Laut, ja? Widerstand ist zwecklos.“ flüstert der andere. Er lispelt ein wenig. Im Wald ruft ein Kuckuck. Das vereinbarte Zeichen: Alexander weiss, dass Hans und Peter ganz in der Nähe sind.
Als Alexander die Augenbinde wieder abgenommen wird, steht er in einem dunklen Raum, der modrig riecht. Zwei Kerzen brennen, und in ihrem Schein erkennt Alexander schemenhaft mehrere Gestalten. In der Mitte des Raums sitzt, nein, thront, ein auffallend grosser Junge, der seine Augen hinter Sonnenbrillen verbirgt. „So ein Angeber! Spielt den Boss!“ denkt Alexander. Laut sagt er aber gespielt cool: „Schön habt ihr es hier. Und was soll das Ganze?“ Die zwei Bewacher geben ihm einen Schubs, so dass er beinahe dem Langen vor die Füße fällt. Der gebietet den beiden Rabiaten mit einer unwirschen Handbewegung Einhalt. „Die Sache ist ganz einfach. Du bist ab jetzt unter unserem Schutz. Dafür lieferst du uns wöchentlich dein Taschengeld ab. Die Anzahlung bekommen wir sofort.“ Auf ein weiteres Zeichen vom Sonnenbebrillten holen die beiden Wächter ein paar Euros aus der Hosentasche von Alexander. „Und das Handy gehört uns jetzt auch!“ sagt der „Boss“. „Und dass eines klar ist: keine Polizei, kein Sterbenswörtchen zu anderen! Wenn dir dein Leben lieb ist!“ Das Leben ist Alexander schon lieb, das Taschengeld und sein Handy natürlich auch. „Woher habt ihr eigentlich meine Handy-Nummer?“ fragt Alexander kühn. Die Antwort bestätigt nur seinen Verdacht, dass er es mit ein paar besonders ausgekochten Früchtchen zu tun hat.
Der „Boss“ mit der Sonnenbrille lacht höhnisch. „Da, schau einmal!“ Mit einer flotten Handbewegung weist er auf den Holztisch, auf dem etliche Handys liegen. Er singt, ohne einen Ton zu treffen: „Handy und Gretel verirrten sich im Wald...“ Grosses Gelächter. Dann wieder der „Boss“:„Die Handys haben uns deine Mitschüler geschenkt. Und da ist natürlich auch deine Nummer gespeichert. Und damit Tschüs!“ Alexander wird mit verbundenen Augen ins Freie befördert. Er findet sich vor der Blockhütte wieder. Von Hans und Peter keine Spur. Alexander läuft nach Hause. Er weiß, dass die beiden Freunde noch ein bisschen Detektiv spielen...
Großer Kriegsrat im Zimmer von Alexander. Die halbe Klasse ist bei ihm versammelt. Nach und nach rückt ein Mitschüler nach dem anderen ziemlich verängstigt damit heraus, dass auch er erpresst wird. Hans und Peter, die noch stundenlang bei der Blockhütte auf der Lauer gelegen haben, berichten: „Die Blockhütte wird Tag und Nacht von zwei Jungen bewacht. Die anderen sind abgezogen. Das sind Leute aus dem Nachbardorf! Wir müssen sofort den Gendarmen verständigen!“ „Moment,“ sagt Alexander, „wir wollen die Sache unter uns ausmachen. Vielleicht sollten wir denen noch eine Chance geben. In einer Woche werde ich ihnen auf jeden Fall mein Taschengeld abliefern. Dann sollen die aber auch gleich Lehrgeld zahlen!“
Eine Woche ist vergangen. Die Blockhütte im Wald steht da und weiß nicht wie ihr geschieht. Die zwei „Wächter“ dösen vor dem Eingang. Das Dickicht um die Blockhütte herum scheint noch dichter geworden zu sein. Merkwürdig, dort bewegt sich ein Busch, hier wackelt ein Strauch, und jetzt beginnt auch noch ein kleiner Tannenbaum zu wandern. Was macht der Wald im Wald?
Aber jetzt stehen alle Sträucher still. Nur ein Kuckuck ruft... Alexander wird von den beiden Wächtern in Empfang genommen. Gerade wollen sie ihm die Augen verbinden, als von überall her auf leisen Sohlen die Gebüsche heranrücken. Und hervor springen, leise, leise, Alexanders Mitschüler, mindestens zwanzig. Die Wächter werden so schnell überwältigt, dass sie keinen Laut von sich geben können. Hans und Peter leihen sich die T- Shirts der beiden und fesseln sie an einen Baumstamm. Alexander lässt sich nun zum Schein die Augen verbinden. Er wird von Hans und Peter, die sich als „Wächter“ verkleidet haben, in das Innere der Blockhütte geführt. Da ist natürlich hilfreich, dass Alexander den beiden vorher aus dem Gedächtnis die „Route“ beschrieben hat, die er sich trotz der verbundenen Augen einprägen konnte. Es geht durch zwei Türen und dann eine knarrende Stiege abwärts. Hans und Peter nehmen Alexander die Augenbinde ab und stoßen ihn in den dunklen Raum. Um keinen Verdacht zu erregen, bleiben sie vor der Tür stehen. Im Kerzenschimmer sieht Alexander die „Gang“ vom Nachbardorf, heute in kleiner Besetzung. Insgesamt sind schemenhaft fünf Jungen auszumachen. Und in der Mitte thront wieder der sonnenbebrillte Lange, der „Boss“.
„Na, wie viel Taschengeld gibt es denn heute?“ fragt der Anführer. „20 Euro!“ sagt Alexander leise. „Das ist zu wenig!“ teilt der „Boss“ entschieden mit. „Das nächste Mal muss es mindestens das Doppelte sein!“ „Es gibt kein nächstes Mal!“ sagt Alexander fröhlich. Und in diesem Moment stürmen seine Mitschüler herein. Sie sind in der Überzahl, und die meisten der „Gang“ ergeben sich einsichtig in ihr Schicksal. Nur der „Boss“ möchte sich durch eine Geheimtür verabschieden, aber sobald er sie öffnet dreschen weitere Mitschüler mit Ästen und Strauchwerk auf ihn ein, so dass er klugerweise doch wieder in den Kellerraum zurückkehrt. Alexander führt die Verhandlung: “Ihr wisst, dass die Sache gelaufen ist. Wir könnten euch der Polizei übergeben. Und ihr ahnt sicher, was das für euch bedeutet. Erpressung ist ein schweres Delikt. Euer Leben ist ruiniert. Aber : wir sind ja in keinem Kriminalroman, wo es nur schlechte und gute Menschen gibt. Wir sind ja im richtigen Leben, und da hat jeder auch ein Motiv, wenn er etwas Böses tut. Also, Sonnenbrille runter. Auf zum Geständnis!“ Der „Boss“ wusste sofort, dass er gemeint war. Hinter der Sonnenbrille kam ein harmloses Bubengesicht zum Vorschein. Und die Stimme klang plötzlich auch nicht mehr besonders Furcht einflössend. Die Eltern seien, ins Nachbardorf gezogen, berichtete der auf Bubenmaß zurückgestutzte, immer noch ziemlich lange „Boss“ leise, der Vater habe keine Arbeit gefunden, und von den Dorfbewohnern seien sie auch als Außenseiter betrachtet worden . Die anderen konnten Ähnliches erzählen, und auch, dass es ziemlich leicht war, sie unter Druck zu setzen, um mitzumachen. „Auf diese Weise gewinnt man doch keine Anerkennung!“ sagte Alexander, „Aber ich möchte nicht selbstgerecht sein. Ihr habt es schwer genug. Wir zeigen euch nicht bei der Polizei an. Dafür müsst ihr sofort das erpresste Geld zurückzahlen. Und die Handys zurückgeben. Und eine kräftige Entschuldigung bei jedem, den ihr erpresst habt, ist natürlich auch fällig. Das ist aber noch nicht alles! Jetzt kommt die eigentliche Strafe ...“ Alexander hatte da einen Plan. Der hatte mit dem Marktplatz zu tun , der nicht mehr wie die Ansichtskarte von früher aussah.
*
Die Eltern kommen aus dem Staunen nicht heraus. Plötzlich findet ein Kind nach dem anderen sein Handy wieder. Und mehrere Jugendliche aus dem Nachbardorf reißen sich förmlich darum, den Marktplatz zu reinigen, die Balkone mit Blumen zu schmücken, die Rasenbeete zu pflegen, und bei den Renovierungsarbeiten mit Hand anzulegen...
*
Der Bürgermeister steht wieder am Fenster der Gemeindestube Der Marktplatz strahlt in neuem Glanz. Die Fassaden sind frisch gestrichen, die Fenster sind geputzt, die Simse sind blumengeschmückt. „Gut, dass wir uns nicht erpressen haben lassen!“ sagt der Bürgermeister halblaut vor sich hin. Der Besitzer der Häuser hatte auf bessere Immobilienpreise spekuliert und sie verfallen lassen. Er wohnt irgendwo in der Stadt, und das Dorf selbst ist für ihn uninteressant. Die Gemeinde hatte nicht das Geld, ihm die Häuser abzukaufen. Und der Besitzer trieb die Preise immer mehr in die Höhe und spielte auf Zeit. Vor Gericht ist die Sache ganz im Sinne der Gemeinde entschieden worden. Der Besitzer wurde dazu verurteilt, die Häuser auf seine Kosten nicht nur instandzuhalten, sondern auch die Bausubstanz zu verbessern. „Ja, sagt der Bürgermeister zu seinem Sohn, „jetzt sieht der Marktplatz wieder schön aus, fast noch schöner als auf der Ansichtskarte. Das Gute siegt immer, früher oder später ...“. „Gut, dass wir uns nicht erpressen haben lassen,“ denkt auch Alexander, und laut sagt er: “Vielleicht werde ich doch einmal Bürgermeister!“
*
Die ersten Touristen sind da.
Die Amseln haben Junge bekommen...
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Der Bürgermeister des kleinen Dorfes im Waldviertel hält eine Ansichtskarte in der Hand und betrachtet sie wehmütig. „So hat einmal unser Marktplatz ausgesehen,“ sagt er zu Alexander, seinem Sohn. „Alle Häuser waren mit Blumen geschmückt, ein einladendes Gasthaus neben dem anderen, und hier war der Greißler, bei dem die Touristen gerne Obst eingekauft haben. Das war einmal ein Dorf wie - “, der Bürgermeister sucht nach Worten; Moment, jetzt hat er sie: „- wie eine Ansichtskarte eben!“
Der Bürgermeister legt den Arm um die Schultern seines Sohnes und blickt mit ihm aus dem Fenster der Gemeindestube auf den Marktplatz. „Na ja, die Kirche haben sie noch im Dorf gelassen.“ seufzt er. „Und der Brunnen steht auch noch. Das Schulhaus haben wir hübsch renoviert. Die Gaststätten gibt es nicht mehr, der Greißler hat sein Geschäft auch aufgeben müssen. Die Pacht wurde von Jahr zu Jahr erhöht. Die Fassaden der Häuser sehen schrecklich aus: der Putz bröckelt, die Fensterscheiben sind dreckig, manche sind eingeschlagen...“ Der Bürgermeister nimmt einen Feldstecher und peilt das windschiefe Dach eines der hässlichen Häuser an. In der Dachrinne nistet ein Amselpaar. „Ja, ja,“ seufzt der Bürgermeister, „euch gefällt es überall, nur die Touristen bleiben aus.“ „Ich werde niemals Bürgermeister!“ sagt Alexander sehr überzeugend.
*
Im Schulhaus ist Elternabend. Der letzte vor den Sommerferien. Die Eltern sind ratlos. Nicht wegen der mehr oder weniger schlechten Noten in den Zeugnissen. „Was ist denn bloss in unsere Kinder gefahren? Es kann doch nicht sein, dass alle plötzlich so vergesslich sind? “ Nun, alle, das ist ein bisschen übertrieben. Aber merkwürdig ist die Sache schon. Sechs Buben haben in der letzten Woche ihr Handy verloren. Alles Suchen hilft nichts; die Handys sind weg...
*
Deswegen gibt Alexander jetzt besonders gut auf sein Handy acht. Gerade bekommt er eine rätselhafte SMS. „Morgen um 2 bei der Blockhütte im Wald! Und kein Wort zu irgendjemanden! Sonst passiert was!“ Das Ganze natürlich ohne Absender. Auch die Rufnummer des Verfassers der Nachricht ist nicht zu sehen. Aber: Erstens lässt sich Alexander nicht einschüchtern. Und zweitens wittert er ein Abenteuer. Drittens weiht er seine besten Freunde Hans und Peter ein. Alle drei beschliessen, und zwar gegen ihr besseres Wissen, die Erwachsenen vorerst nicht einzuweihen. Ob ihnen das noch Leid tun wird?
Am nächsten Tag steigt Alexander zur Blockhütte auf. Hans und Peter sind auf Nebenpfaden schon vorweg geschlichen, um die Lage zu sondieren und eventuell einzugreifen, wenn es gefährlich werden sollte.
Alexander wird von zwei Jungen erwartet, die er nicht kennt und die um Etliches älter sind als er; also mindestens zwei, drei Jahre! Sie packen ihn, er wehrt sich natürlich, nur anstandshalber, weil er die Ausweglosigkeit der Situation erkennt; die beiden sind einfach viel stärker als er. „Wir verbinden dir jetzt die Augen.“ knurrt der eine Junge gefährlich. „Und keinen Laut, ja? Widerstand ist zwecklos.“ flüstert der andere. Er lispelt ein wenig. Im Wald ruft ein Kuckuck. Das vereinbarte Zeichen: Alexander weiss, dass Hans und Peter ganz in der Nähe sind.
Als Alexander die Augenbinde wieder abgenommen wird, steht er in einem dunklen Raum, der modrig riecht. Zwei Kerzen brennen, und in ihrem Schein erkennt Alexander schemenhaft mehrere Gestalten. In der Mitte des Raums sitzt, nein, thront, ein auffallend grosser Junge, der seine Augen hinter Sonnenbrillen verbirgt. „So ein Angeber! Spielt den Boss!“ denkt Alexander. Laut sagt er aber gespielt cool: „Schön habt ihr es hier. Und was soll das Ganze?“ Die zwei Bewacher geben ihm einen Schubs, so dass er beinahe dem Langen vor die Füße fällt. Der gebietet den beiden Rabiaten mit einer unwirschen Handbewegung Einhalt. „Die Sache ist ganz einfach. Du bist ab jetzt unter unserem Schutz. Dafür lieferst du uns wöchentlich dein Taschengeld ab. Die Anzahlung bekommen wir sofort.“ Auf ein weiteres Zeichen vom Sonnenbebrillten holen die beiden Wächter ein paar Euros aus der Hosentasche von Alexander. „Und das Handy gehört uns jetzt auch!“ sagt der „Boss“. „Und dass eines klar ist: keine Polizei, kein Sterbenswörtchen zu anderen! Wenn dir dein Leben lieb ist!“ Das Leben ist Alexander schon lieb, das Taschengeld und sein Handy natürlich auch. „Woher habt ihr eigentlich meine Handy-Nummer?“ fragt Alexander kühn. Die Antwort bestätigt nur seinen Verdacht, dass er es mit ein paar besonders ausgekochten Früchtchen zu tun hat.
Der „Boss“ mit der Sonnenbrille lacht höhnisch. „Da, schau einmal!“ Mit einer flotten Handbewegung weist er auf den Holztisch, auf dem etliche Handys liegen. Er singt, ohne einen Ton zu treffen: „Handy und Gretel verirrten sich im Wald...“ Grosses Gelächter. Dann wieder der „Boss“:„Die Handys haben uns deine Mitschüler geschenkt. Und da ist natürlich auch deine Nummer gespeichert. Und damit Tschüs!“ Alexander wird mit verbundenen Augen ins Freie befördert. Er findet sich vor der Blockhütte wieder. Von Hans und Peter keine Spur. Alexander läuft nach Hause. Er weiß, dass die beiden Freunde noch ein bisschen Detektiv spielen...
Großer Kriegsrat im Zimmer von Alexander. Die halbe Klasse ist bei ihm versammelt. Nach und nach rückt ein Mitschüler nach dem anderen ziemlich verängstigt damit heraus, dass auch er erpresst wird. Hans und Peter, die noch stundenlang bei der Blockhütte auf der Lauer gelegen haben, berichten: „Die Blockhütte wird Tag und Nacht von zwei Jungen bewacht. Die anderen sind abgezogen. Das sind Leute aus dem Nachbardorf! Wir müssen sofort den Gendarmen verständigen!“ „Moment,“ sagt Alexander, „wir wollen die Sache unter uns ausmachen. Vielleicht sollten wir denen noch eine Chance geben. In einer Woche werde ich ihnen auf jeden Fall mein Taschengeld abliefern. Dann sollen die aber auch gleich Lehrgeld zahlen!“
Eine Woche ist vergangen. Die Blockhütte im Wald steht da und weiß nicht wie ihr geschieht. Die zwei „Wächter“ dösen vor dem Eingang. Das Dickicht um die Blockhütte herum scheint noch dichter geworden zu sein. Merkwürdig, dort bewegt sich ein Busch, hier wackelt ein Strauch, und jetzt beginnt auch noch ein kleiner Tannenbaum zu wandern. Was macht der Wald im Wald?
Aber jetzt stehen alle Sträucher still. Nur ein Kuckuck ruft... Alexander wird von den beiden Wächtern in Empfang genommen. Gerade wollen sie ihm die Augen verbinden, als von überall her auf leisen Sohlen die Gebüsche heranrücken. Und hervor springen, leise, leise, Alexanders Mitschüler, mindestens zwanzig. Die Wächter werden so schnell überwältigt, dass sie keinen Laut von sich geben können. Hans und Peter leihen sich die T- Shirts der beiden und fesseln sie an einen Baumstamm. Alexander lässt sich nun zum Schein die Augen verbinden. Er wird von Hans und Peter, die sich als „Wächter“ verkleidet haben, in das Innere der Blockhütte geführt. Da ist natürlich hilfreich, dass Alexander den beiden vorher aus dem Gedächtnis die „Route“ beschrieben hat, die er sich trotz der verbundenen Augen einprägen konnte. Es geht durch zwei Türen und dann eine knarrende Stiege abwärts. Hans und Peter nehmen Alexander die Augenbinde ab und stoßen ihn in den dunklen Raum. Um keinen Verdacht zu erregen, bleiben sie vor der Tür stehen. Im Kerzenschimmer sieht Alexander die „Gang“ vom Nachbardorf, heute in kleiner Besetzung. Insgesamt sind schemenhaft fünf Jungen auszumachen. Und in der Mitte thront wieder der sonnenbebrillte Lange, der „Boss“.
„Na, wie viel Taschengeld gibt es denn heute?“ fragt der Anführer. „20 Euro!“ sagt Alexander leise. „Das ist zu wenig!“ teilt der „Boss“ entschieden mit. „Das nächste Mal muss es mindestens das Doppelte sein!“ „Es gibt kein nächstes Mal!“ sagt Alexander fröhlich. Und in diesem Moment stürmen seine Mitschüler herein. Sie sind in der Überzahl, und die meisten der „Gang“ ergeben sich einsichtig in ihr Schicksal. Nur der „Boss“ möchte sich durch eine Geheimtür verabschieden, aber sobald er sie öffnet dreschen weitere Mitschüler mit Ästen und Strauchwerk auf ihn ein, so dass er klugerweise doch wieder in den Kellerraum zurückkehrt. Alexander führt die Verhandlung: “Ihr wisst, dass die Sache gelaufen ist. Wir könnten euch der Polizei übergeben. Und ihr ahnt sicher, was das für euch bedeutet. Erpressung ist ein schweres Delikt. Euer Leben ist ruiniert. Aber : wir sind ja in keinem Kriminalroman, wo es nur schlechte und gute Menschen gibt. Wir sind ja im richtigen Leben, und da hat jeder auch ein Motiv, wenn er etwas Böses tut. Also, Sonnenbrille runter. Auf zum Geständnis!“ Der „Boss“ wusste sofort, dass er gemeint war. Hinter der Sonnenbrille kam ein harmloses Bubengesicht zum Vorschein. Und die Stimme klang plötzlich auch nicht mehr besonders Furcht einflössend. Die Eltern seien, ins Nachbardorf gezogen, berichtete der auf Bubenmaß zurückgestutzte, immer noch ziemlich lange „Boss“ leise, der Vater habe keine Arbeit gefunden, und von den Dorfbewohnern seien sie auch als Außenseiter betrachtet worden . Die anderen konnten Ähnliches erzählen, und auch, dass es ziemlich leicht war, sie unter Druck zu setzen, um mitzumachen. „Auf diese Weise gewinnt man doch keine Anerkennung!“ sagte Alexander, „Aber ich möchte nicht selbstgerecht sein. Ihr habt es schwer genug. Wir zeigen euch nicht bei der Polizei an. Dafür müsst ihr sofort das erpresste Geld zurückzahlen. Und die Handys zurückgeben. Und eine kräftige Entschuldigung bei jedem, den ihr erpresst habt, ist natürlich auch fällig. Das ist aber noch nicht alles! Jetzt kommt die eigentliche Strafe ...“ Alexander hatte da einen Plan. Der hatte mit dem Marktplatz zu tun , der nicht mehr wie die Ansichtskarte von früher aussah.
*
Die Eltern kommen aus dem Staunen nicht heraus. Plötzlich findet ein Kind nach dem anderen sein Handy wieder. Und mehrere Jugendliche aus dem Nachbardorf reißen sich förmlich darum, den Marktplatz zu reinigen, die Balkone mit Blumen zu schmücken, die Rasenbeete zu pflegen, und bei den Renovierungsarbeiten mit Hand anzulegen...
*
Der Bürgermeister steht wieder am Fenster der Gemeindestube Der Marktplatz strahlt in neuem Glanz. Die Fassaden sind frisch gestrichen, die Fenster sind geputzt, die Simse sind blumengeschmückt. „Gut, dass wir uns nicht erpressen haben lassen!“ sagt der Bürgermeister halblaut vor sich hin. Der Besitzer der Häuser hatte auf bessere Immobilienpreise spekuliert und sie verfallen lassen. Er wohnt irgendwo in der Stadt, und das Dorf selbst ist für ihn uninteressant. Die Gemeinde hatte nicht das Geld, ihm die Häuser abzukaufen. Und der Besitzer trieb die Preise immer mehr in die Höhe und spielte auf Zeit. Vor Gericht ist die Sache ganz im Sinne der Gemeinde entschieden worden. Der Besitzer wurde dazu verurteilt, die Häuser auf seine Kosten nicht nur instandzuhalten, sondern auch die Bausubstanz zu verbessern. „Ja, sagt der Bürgermeister zu seinem Sohn, „jetzt sieht der Marktplatz wieder schön aus, fast noch schöner als auf der Ansichtskarte. Das Gute siegt immer, früher oder später ...“. „Gut, dass wir uns nicht erpressen haben lassen,“ denkt auch Alexander, und laut sagt er: “Vielleicht werde ich doch einmal Bürgermeister!“
*
Die ersten Touristen sind da.
Die Amseln haben Junge bekommen...
Samstag, 7. August 2010
Wer hat unser Haus gestohlen?
Ein ziemlich verzwickter Krimi von Günter Verdin
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„Jeder Grieche“, sagte Vater Hans vergnügt, „ muss einmal in seinem Leben ein Olivenbäumchen gepflanzt, ein Buch gelesen und ein Hotel gebaut haben. „ Die Familie Steinberger hatte den Sommerurlaub auf der griechischen Insel Zakynthos verbracht, und auf dieser Insel gibt es tatsächlich sehr viele Hotels, auch viele Hotelrohbauten, die wegen der Überschuldung der Besitzer nicht fertiggebaut werden können, weiters viele Olivenbäume und wenig Buchhandlungen.“ Wenigstens wurde unser Auto nicht gestohlen! seufzte Mama Maria. „ Der Parkplatz am Flughafen ist doch bewacht, „ meinte Papa, du liest einfach zu viele Kriminalromane! „
Im – übrigens zitronengelben - Auto schwirrten die Stimmen durcheinander, wie das so ist, wenn man vom Urlaub nach Hause kommt und der Abschiedsschmerz, der sonnigen Insel gilt, noch die Wiedersehensfreude auf zu Hause überdeckt.
„ Ich habe mir selbst drei Ansichtskarten geschrieben“ quäkte der siebenjährige Toni aus dem Fonds des Autos, „es müssten also mindestens vierzehn Karten für mich im Postkasten sein, wenn alle meine Freunde auch wirklich geschrieben haben. „ Die fünfjährige Sonja erzählte ihrer Puppe: „ Heute werden wir zum ersten Mal in unserem neuen Haus übernachten. Da gibt es noch keinen Strom und auch kein Wasser, aber dafür ist es ganz nah am Waldstrand.“
„ Eine Menge Arbeit wartet noch auf uns, seufzte Mama Maria. Sieh das doch einmal von der positiven Seite, „ meinte der Vater, „was haben wir nicht alles schon geschafft: das Haus steht, und wir haben es selbst gebaut und damit eine Menge Geld gespart. Als nächstes werde ich mir die Heizungs- und Elektro-Bausätze vornehmen. Die Systeme sind ja jetzt schon ausgereift, dass das auch nicht so schwer werden wird.“
„Wollen wir heute nicht lieber doch noch in der Stadtwohnung übernachten?“fragte Mama Maria skeptisch . Starker Protest meldete sich vom Fahrersitz und aus dem Wagenfonds. „In einem Monat wollen wir umziehen,“sagte Papa, „höchste Zeit, dass wir uns an unser neues Zuhause gewöhnen.“ „Ich werde mich nie daran gewöhnen“, murmelte Mama verzagt, „eine halbe Stunde ins Dorf zum Einkaufen.....“
„Oh teure Heimat“ sang Toni, immer einen Halbton neben der richtigen Melodie. Und Sonja schmetterte dagegen: „In die Berg` bin i gern“. Da stimmte Vater übermütig „Hoch auf dem zitronengelben Wagen“ an. Nur Mama Maria wackelte besonnen mit dem Kopf: „Gib acht, Hans, hier kommt die Abzweigung.“
Das zitronengelbe Auto bog nun in die Landstraße ein, die direkt durch das Dorf führte. Jetzt klopfte doch allen das Herz ein wenig höher. Der Wagen näherte sich dem Waldrand. Vater Hans stieg auf die Bremse. „Jetzt habe ich doch die falsche Abzweigung genommen.“ Die Straße war breit genug, um zu wenden. Also zurück ins Dorf. Von hier nochmals in Richtung Wald. Und noch einmal zurück ins Dorf. Und wieder zum Wald. „So,“ sagte Vater Hans, jetzt ist es aber Zeit, dass wir aus diesem Traum aufwachen!“
„Hans“ murmelte Mama müde, „das ist kein Traum, das ist wie im Kriminalroman: Unser Haus ist weg, es steht nicht mehr da!!!!“ Die total verwirrte Reise-Gesellschaft war inzwischen ausgestiegen. Vater Hans rieb sich die Augen: „Keine Spur von unserem Haus!“
„Doch,“ schrie Toni, schaut, der Briefkasten ist noch da, im Gras!“
Und triumphierend, als hätte die Welt jetzt keine anderen Sorgen, hielt Toni genau vierzehn Ansichtskarten in der Hand ....(Fortsetzung folgt)
II
Was bisher geschah: Die Familie Steinberger, also Mama Maria, Vater Hans, die fünfjährige Sonja und der siebenjährige Toni, kehrt vom Urlaub auf der griechischen Insel Zakynthos zurück. Vom Flughafen fahren sie im zitronengelben Wagen schnurstracks nach Hause. Zum ersten Mal wollen die Steinbergers im neuen Haus am Waldrand übernachten. Doch es ist wie in einem Kriminalroman: vom schönen Fertighaus ist nur mehr der Briefkasten da. Hier nun die Fortsetzung:
Während Toni sich über die vierzehn Ansichtskarten nicht mehr so recht freuen konnte, während die kleine Sonja ihrer Puppe zuflüsterte, sie dürfe jetzt auf keinen Fall lachen, musterte Mama Maria den unerwartet leeren Schauplatz und wirkte in ihrem Bestrebungen, Ordnung in die Angelegenheit zu bringen, ein wenig hilflos. Sie nahm aus dem Briefkasten die zahlreichen Werbezettel – man kann nicht nah genug am Waldrand wohnen, die Werbung erreicht einem überall, dachte sie -, hob sorgfältig einen zerknüllten Zettel auf und streckte, da weit und breit noch keine Papiertonne zu sehen war, alles in einen Plastiksack. Vater Hans hatte inzwischen per Handy den Dorfgendarm herbeitelefoniert.
„So so“ sagte der mit schlauem Gesichtsausdruck, „Sie vermissen also ein Haus. Und das Haus ist einfach spurlos verschwunden? Wahrscheinlich hat es nur einen Ausflug gemacht, haha! Wissen Sie was, mein lieber Herr, Sie kommen jetzt mit auf die Wachstube. Vielleicht haben Sie ja auch nur ein bisschen zu viel getrunken.“
Vater Hans fand diese Unterstellung ziemlich empörend, aber sein Protest verhallte unerhört. Immerhin durfte Familie Steinberger, zum ersten Mal und völlig unschuldig mit der Polizei im Konflikt, im eigenen zitronengelben Wagen ins Dorf hinunterfahren, Mama am Lenkrad, weil ihr der Gendarm höflicherweise überhöhten Alkoholkonsum nicht zutraute.
Nachdem sich der wackere Gendarm per Alkotest überzeugt hatte, dass Papa Hans völlig nüchtern, man könnte auch sagen total ernüchtert war, nahm er die Anzeige doch zu Protokoll, nicht ohne immer wieder den Kopf zu schütteln, in dem die gesammelte Erfahrung sich gegen das spurlose Verschwinden von Häusern sperrte.
Wieder auf der Dorf-Hauptstraße begann Mama ihr kriminalistisches Wissen aus häufiger Romanlektüre in die Praxis umzusetzen.
Der Bäckermeister stand vor seinem Laden: „Haben Sie nicht : „Haben Sie nicht unser Haus gesehen?“ fragte Mama und erklärte ihm die schwierige Situation. „Ihr Haus? Am Waldrand? Da stand ein Haus? Sind Sie sicher? Also lange kann es da nicht gestanden haben. Wir hatten jetzt vier Wochen Betriebsferien. Vorher stand es jedenfalls nicht da!“ Na gut, dachte sich Mama Maria, es gibt ja auch noch den Fleischhauer im Dorf....
„Warten Sie einmal,“ sagte der Bäckermeister plötzlich, „meine Frau hat mir da vor ein paar Tagen eine seltsame Geschichte erzählt.“
III
Was bisher geschah: Die Familie Steinberger, also Mama Maria, Vater Hans, die fünfjährige Sonja und der siebenjährige Toni, kehrt vom Urlaub zurück. Zum ersten Mal wollen die Steinbergers im neuen Haus am Waldrand übernachten. Doch es ist wie in einem Kriminalroman: vom schönen Fertigbauhaus ist nur mehr der Briefkasten da. Der Bäckermeister im Dorf erinnert sich an die seltsame Geschichte, die ihm seine Frau berichtet hat:
„Meine Frau“ erzählt der Bäckermeister, „ war vor einigen Tagen mit dem Fahrrad auf der Landstraße unterwegs, als ihr ein ungemein breiter Tieflader entgegenkam. Und auf diesem Tieflader stand ein Haus. Wir haben erst unlängst ein Foto aus Amerika gesehen, wo solche Häuser, wenn sie beim Straßenbau im Wege stehen, einfach aufgeladen und kilometerweit versetzt werden. Trotzdem erkundigte sich meine Frau beim Fahrer dieses Schwertransports. Der war relativ einsilbig und sagte nur etwas von einer Sendung mit der versteckten Kamera, und dass er nicht mehr verraten dürfe.“
„Von wegen: versteckte Kamera!“ Papa japste nach Luft. Das sind Profigauner. Die haben unser Haus abtransportiert, um es irgendwo an einem geheimen Ort in seine Einzelteile zu zerlegen und weiterzuverkaufen.“
„Oder“, kombinierte Mama detektivisch schlau, „sie verkaufen es als ganzes Haus, laden es irgendwo ab. So schnell kommt man zu einem Fertighaus!“
„Logisch“, sagte Papa, „dann müssen wir ja nur in der nächsten und weiteren Umgebung nach unserem Haus suchen.“
„Nicht ganz einfach“, meinte Mama nüchtern, „ein Haus zu suchen, das so aussieht wie tausend andere Fertighäuser mit Selbstbausystem auch!“
„Bis auf die zitronengelbeFarbe“, warf Papa ein. „Und du hast immer über meine Lieblingsfarbe gemekert.“Toni und Sonja bewunderten mit aufgerissenen Mündern ihre schlauen Eltern.
„Ich glaube, ich habe da eine heiße Spur“ sagte Mama bedeutungsvoll.
„Ich habe nämlich vorhin einen Zettel von der Wiese aufgehoben.“ Sie holte das zerknitterte Blatt hervor und glättete es. Auf der Rückseite standen ein paar Kugelschreiber-Notizen, die es vielleicht später noch zu entziffern galt. Vorne aber war Werbung aufgedruckt. Mama Maria las laut vor: „Haben Sie Umzugsprobleme? Wir versetzen für Sie sogar Häuser! Transporte Maier.“ Ein Anruf bei der angegebenen Nummer ergab freilich nur, dass die Firma selbst Opfer eines Diebstahls geworden war: ein überbreiter Tieflader war nämlich vor drei Tagen von unbekannten Tätern gestohlen worden.“
„Vor drei Tagen“, kombinierte Mama messerscharf, „weit können die Diebe also nicht gekommen sein. Auf, wir fahren jetzt in die Stadt!“ Eine hingekritzelte Telefonnummer auf der Rückseite der Anzeige von „Transporte Maier“ hatte Mamas ganz besonderes Interesse geweckt.
„Nein, nein,“ so sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, „ wir sind noch gar nicht in das Haus eingezogen. Ja, es ist neu....Ja, wir haben mit den Verkäufern ausgemacht, dass dieses schreckliche Zitronengelb überstrichen wird.... Stellen Sie sich vor, ein fertiges Haus, ehrlich gesagt kam uns der Preis extrem günstig vor, nur 100.000 Schilling. Nein, wir haben noch nicht bezahlt, wir wollten einen Tag Probewohnen. Ja, heute wollen sich der Verkäufer wegen des Geldes bei uns melden.....“
„Liebe Elisabeth“, schreibt Toni auf die nun elfte Postkarte, „ich muss dir noch schnell erzählen, wie die Sache ausgegangen ist. Die Diebe wurden von der Polizei in Empfang genommen, als sie das Geld abholen wollten. Und als erstes wurden sie dazu verdonnert, unser Haus dorthin zu transportieren, wo sie es gestohlen hatten.“Sonja singt ihrer Puppe leise ein Wiegenlied. Mama nimmt eine Liebesgeschichte zur Hand,
.“
von Kriminalroman hat sie fürs erste genug. Und Papa sagt: „Jetzt erst sind wir richtig zu Hause.“
Er schließt sorgfältig die Eingangstüre des wunderschönen, einzigartigen, weil zitronengelben Hauses am Waldrand ab und denkt, während er den Schlüssel umdreht, dass die Gangster jetzt wohl hinter Schloss und Riegel sitzen werden.......
Stellt euch vor:
Diebe stahlen wirklich ein ganzes Haus!
ZEITUNGSMELDUNG:
Cottbus (AP) Bei einem Einbruch im brandenburgischen Briesen haben Diebe gleich ein ganzes Haus mitgenommen. Die Täter stahlen das amerikanische Fertigteilhaus aus einer Lagerhalle, wie ein Sprecher der Cottbuser Polizei mitteilte. Der Besitzer, ein Fertigteilhaushändler, sei zuletzt im Juli in der Halle gewesen und habe den Diebstahl erst jetzt bemerkt. Das Haus hat einen Wert von rund 300.000 DM. Wie die Einbrecher ihr geräumiges Diebsgut abtransportierten, ist unklar.
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„Jeder Grieche“, sagte Vater Hans vergnügt, „ muss einmal in seinem Leben ein Olivenbäumchen gepflanzt, ein Buch gelesen und ein Hotel gebaut haben. „ Die Familie Steinberger hatte den Sommerurlaub auf der griechischen Insel Zakynthos verbracht, und auf dieser Insel gibt es tatsächlich sehr viele Hotels, auch viele Hotelrohbauten, die wegen der Überschuldung der Besitzer nicht fertiggebaut werden können, weiters viele Olivenbäume und wenig Buchhandlungen.“ Wenigstens wurde unser Auto nicht gestohlen! seufzte Mama Maria. „ Der Parkplatz am Flughafen ist doch bewacht, „ meinte Papa, du liest einfach zu viele Kriminalromane! „
Im – übrigens zitronengelben - Auto schwirrten die Stimmen durcheinander, wie das so ist, wenn man vom Urlaub nach Hause kommt und der Abschiedsschmerz, der sonnigen Insel gilt, noch die Wiedersehensfreude auf zu Hause überdeckt.
„ Ich habe mir selbst drei Ansichtskarten geschrieben“ quäkte der siebenjährige Toni aus dem Fonds des Autos, „es müssten also mindestens vierzehn Karten für mich im Postkasten sein, wenn alle meine Freunde auch wirklich geschrieben haben. „ Die fünfjährige Sonja erzählte ihrer Puppe: „ Heute werden wir zum ersten Mal in unserem neuen Haus übernachten. Da gibt es noch keinen Strom und auch kein Wasser, aber dafür ist es ganz nah am Waldstrand.“
„ Eine Menge Arbeit wartet noch auf uns, seufzte Mama Maria. Sieh das doch einmal von der positiven Seite, „ meinte der Vater, „was haben wir nicht alles schon geschafft: das Haus steht, und wir haben es selbst gebaut und damit eine Menge Geld gespart. Als nächstes werde ich mir die Heizungs- und Elektro-Bausätze vornehmen. Die Systeme sind ja jetzt schon ausgereift, dass das auch nicht so schwer werden wird.“
„Wollen wir heute nicht lieber doch noch in der Stadtwohnung übernachten?“fragte Mama Maria skeptisch . Starker Protest meldete sich vom Fahrersitz und aus dem Wagenfonds. „In einem Monat wollen wir umziehen,“sagte Papa, „höchste Zeit, dass wir uns an unser neues Zuhause gewöhnen.“ „Ich werde mich nie daran gewöhnen“, murmelte Mama verzagt, „eine halbe Stunde ins Dorf zum Einkaufen.....“
„Oh teure Heimat“ sang Toni, immer einen Halbton neben der richtigen Melodie. Und Sonja schmetterte dagegen: „In die Berg` bin i gern“. Da stimmte Vater übermütig „Hoch auf dem zitronengelben Wagen“ an. Nur Mama Maria wackelte besonnen mit dem Kopf: „Gib acht, Hans, hier kommt die Abzweigung.“
Das zitronengelbe Auto bog nun in die Landstraße ein, die direkt durch das Dorf führte. Jetzt klopfte doch allen das Herz ein wenig höher. Der Wagen näherte sich dem Waldrand. Vater Hans stieg auf die Bremse. „Jetzt habe ich doch die falsche Abzweigung genommen.“ Die Straße war breit genug, um zu wenden. Also zurück ins Dorf. Von hier nochmals in Richtung Wald. Und noch einmal zurück ins Dorf. Und wieder zum Wald. „So,“ sagte Vater Hans, jetzt ist es aber Zeit, dass wir aus diesem Traum aufwachen!“
„Hans“ murmelte Mama müde, „das ist kein Traum, das ist wie im Kriminalroman: Unser Haus ist weg, es steht nicht mehr da!!!!“ Die total verwirrte Reise-Gesellschaft war inzwischen ausgestiegen. Vater Hans rieb sich die Augen: „Keine Spur von unserem Haus!“
„Doch,“ schrie Toni, schaut, der Briefkasten ist noch da, im Gras!“
Und triumphierend, als hätte die Welt jetzt keine anderen Sorgen, hielt Toni genau vierzehn Ansichtskarten in der Hand ....(Fortsetzung folgt)
II
Was bisher geschah: Die Familie Steinberger, also Mama Maria, Vater Hans, die fünfjährige Sonja und der siebenjährige Toni, kehrt vom Urlaub auf der griechischen Insel Zakynthos zurück. Vom Flughafen fahren sie im zitronengelben Wagen schnurstracks nach Hause. Zum ersten Mal wollen die Steinbergers im neuen Haus am Waldrand übernachten. Doch es ist wie in einem Kriminalroman: vom schönen Fertighaus ist nur mehr der Briefkasten da. Hier nun die Fortsetzung:
Während Toni sich über die vierzehn Ansichtskarten nicht mehr so recht freuen konnte, während die kleine Sonja ihrer Puppe zuflüsterte, sie dürfe jetzt auf keinen Fall lachen, musterte Mama Maria den unerwartet leeren Schauplatz und wirkte in ihrem Bestrebungen, Ordnung in die Angelegenheit zu bringen, ein wenig hilflos. Sie nahm aus dem Briefkasten die zahlreichen Werbezettel – man kann nicht nah genug am Waldrand wohnen, die Werbung erreicht einem überall, dachte sie -, hob sorgfältig einen zerknüllten Zettel auf und streckte, da weit und breit noch keine Papiertonne zu sehen war, alles in einen Plastiksack. Vater Hans hatte inzwischen per Handy den Dorfgendarm herbeitelefoniert.
„So so“ sagte der mit schlauem Gesichtsausdruck, „Sie vermissen also ein Haus. Und das Haus ist einfach spurlos verschwunden? Wahrscheinlich hat es nur einen Ausflug gemacht, haha! Wissen Sie was, mein lieber Herr, Sie kommen jetzt mit auf die Wachstube. Vielleicht haben Sie ja auch nur ein bisschen zu viel getrunken.“
Vater Hans fand diese Unterstellung ziemlich empörend, aber sein Protest verhallte unerhört. Immerhin durfte Familie Steinberger, zum ersten Mal und völlig unschuldig mit der Polizei im Konflikt, im eigenen zitronengelben Wagen ins Dorf hinunterfahren, Mama am Lenkrad, weil ihr der Gendarm höflicherweise überhöhten Alkoholkonsum nicht zutraute.
Nachdem sich der wackere Gendarm per Alkotest überzeugt hatte, dass Papa Hans völlig nüchtern, man könnte auch sagen total ernüchtert war, nahm er die Anzeige doch zu Protokoll, nicht ohne immer wieder den Kopf zu schütteln, in dem die gesammelte Erfahrung sich gegen das spurlose Verschwinden von Häusern sperrte.
Wieder auf der Dorf-Hauptstraße begann Mama ihr kriminalistisches Wissen aus häufiger Romanlektüre in die Praxis umzusetzen.
Der Bäckermeister stand vor seinem Laden: „Haben Sie nicht : „Haben Sie nicht unser Haus gesehen?“ fragte Mama und erklärte ihm die schwierige Situation. „Ihr Haus? Am Waldrand? Da stand ein Haus? Sind Sie sicher? Also lange kann es da nicht gestanden haben. Wir hatten jetzt vier Wochen Betriebsferien. Vorher stand es jedenfalls nicht da!“ Na gut, dachte sich Mama Maria, es gibt ja auch noch den Fleischhauer im Dorf....
„Warten Sie einmal,“ sagte der Bäckermeister plötzlich, „meine Frau hat mir da vor ein paar Tagen eine seltsame Geschichte erzählt.“
III
Was bisher geschah: Die Familie Steinberger, also Mama Maria, Vater Hans, die fünfjährige Sonja und der siebenjährige Toni, kehrt vom Urlaub zurück. Zum ersten Mal wollen die Steinbergers im neuen Haus am Waldrand übernachten. Doch es ist wie in einem Kriminalroman: vom schönen Fertigbauhaus ist nur mehr der Briefkasten da. Der Bäckermeister im Dorf erinnert sich an die seltsame Geschichte, die ihm seine Frau berichtet hat:
„Meine Frau“ erzählt der Bäckermeister, „ war vor einigen Tagen mit dem Fahrrad auf der Landstraße unterwegs, als ihr ein ungemein breiter Tieflader entgegenkam. Und auf diesem Tieflader stand ein Haus. Wir haben erst unlängst ein Foto aus Amerika gesehen, wo solche Häuser, wenn sie beim Straßenbau im Wege stehen, einfach aufgeladen und kilometerweit versetzt werden. Trotzdem erkundigte sich meine Frau beim Fahrer dieses Schwertransports. Der war relativ einsilbig und sagte nur etwas von einer Sendung mit der versteckten Kamera, und dass er nicht mehr verraten dürfe.“
„Von wegen: versteckte Kamera!“ Papa japste nach Luft. Das sind Profigauner. Die haben unser Haus abtransportiert, um es irgendwo an einem geheimen Ort in seine Einzelteile zu zerlegen und weiterzuverkaufen.“
„Oder“, kombinierte Mama detektivisch schlau, „sie verkaufen es als ganzes Haus, laden es irgendwo ab. So schnell kommt man zu einem Fertighaus!“
„Logisch“, sagte Papa, „dann müssen wir ja nur in der nächsten und weiteren Umgebung nach unserem Haus suchen.“
„Nicht ganz einfach“, meinte Mama nüchtern, „ein Haus zu suchen, das so aussieht wie tausend andere Fertighäuser mit Selbstbausystem auch!“
„Bis auf die zitronengelbeFarbe“, warf Papa ein. „Und du hast immer über meine Lieblingsfarbe gemekert.“Toni und Sonja bewunderten mit aufgerissenen Mündern ihre schlauen Eltern.
„Ich glaube, ich habe da eine heiße Spur“ sagte Mama bedeutungsvoll.
„Ich habe nämlich vorhin einen Zettel von der Wiese aufgehoben.“ Sie holte das zerknitterte Blatt hervor und glättete es. Auf der Rückseite standen ein paar Kugelschreiber-Notizen, die es vielleicht später noch zu entziffern galt. Vorne aber war Werbung aufgedruckt. Mama Maria las laut vor: „Haben Sie Umzugsprobleme? Wir versetzen für Sie sogar Häuser! Transporte Maier.“ Ein Anruf bei der angegebenen Nummer ergab freilich nur, dass die Firma selbst Opfer eines Diebstahls geworden war: ein überbreiter Tieflader war nämlich vor drei Tagen von unbekannten Tätern gestohlen worden.“
„Vor drei Tagen“, kombinierte Mama messerscharf, „weit können die Diebe also nicht gekommen sein. Auf, wir fahren jetzt in die Stadt!“ Eine hingekritzelte Telefonnummer auf der Rückseite der Anzeige von „Transporte Maier“ hatte Mamas ganz besonderes Interesse geweckt.
„Nein, nein,“ so sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, „ wir sind noch gar nicht in das Haus eingezogen. Ja, es ist neu....Ja, wir haben mit den Verkäufern ausgemacht, dass dieses schreckliche Zitronengelb überstrichen wird.... Stellen Sie sich vor, ein fertiges Haus, ehrlich gesagt kam uns der Preis extrem günstig vor, nur 100.000 Schilling. Nein, wir haben noch nicht bezahlt, wir wollten einen Tag Probewohnen. Ja, heute wollen sich der Verkäufer wegen des Geldes bei uns melden.....“
„Liebe Elisabeth“, schreibt Toni auf die nun elfte Postkarte, „ich muss dir noch schnell erzählen, wie die Sache ausgegangen ist. Die Diebe wurden von der Polizei in Empfang genommen, als sie das Geld abholen wollten. Und als erstes wurden sie dazu verdonnert, unser Haus dorthin zu transportieren, wo sie es gestohlen hatten.“Sonja singt ihrer Puppe leise ein Wiegenlied. Mama nimmt eine Liebesgeschichte zur Hand,
.“
von Kriminalroman hat sie fürs erste genug. Und Papa sagt: „Jetzt erst sind wir richtig zu Hause.“
Er schließt sorgfältig die Eingangstüre des wunderschönen, einzigartigen, weil zitronengelben Hauses am Waldrand ab und denkt, während er den Schlüssel umdreht, dass die Gangster jetzt wohl hinter Schloss und Riegel sitzen werden.......
Stellt euch vor:
Diebe stahlen wirklich ein ganzes Haus!
ZEITUNGSMELDUNG:
Cottbus (AP) Bei einem Einbruch im brandenburgischen Briesen haben Diebe gleich ein ganzes Haus mitgenommen. Die Täter stahlen das amerikanische Fertigteilhaus aus einer Lagerhalle, wie ein Sprecher der Cottbuser Polizei mitteilte. Der Besitzer, ein Fertigteilhaushändler, sei zuletzt im Juli in der Halle gewesen und habe den Diebstahl erst jetzt bemerkt. Das Haus hat einen Wert von rund 300.000 DM. Wie die Einbrecher ihr geräumiges Diebsgut abtransportierten, ist unklar.
Alle mal herlesen! Diese Geschichten gibt es noch nicht als Buch: für Euch gratis!
Im Zirkus ist der Löwe los!
Von Günter Verdin
Sommerferien! Kein Wort löst in Kinderköpfen mehr und schönere Gedankenverbindungen aus: Wasser, Sonne, Himbeereis , Abenteuer ... Sommerferien, das ist wie ein Zirkus mit Superprogramm bei freiem Eintritt. Ich fahre in den Sommerferien gerne für ein paar Tage an den Tatort meiner Kinderstreiche zurück, in ein kleines, schmuckes Dorf in Niederösterreich. Auch heute schwirrt es hier nur so von unternehmungslustigen Knirpsen, einheimischen wie Touristenkindern, und die Luft ist voller Abenteuer. Und manchmal geschehen die unglaublichsten Dinge.
Der Zirkus gastiert im Dorf. Es ist einer jener Wanderzirkusse, die täglich mit harter, aber ehrlicher Artistenarbeit um ihr Weiterbestehen kämpfen. In einem solchen Familienunternehmen müssen auch schon die Kleinsten trainieren und sich auf ihre Auftritte in der Manege vorbereiten. Sie toben jetzt noch als Mini-Clowns durch die Manege, später werden sie wie ihre älteren Geschwister größere Aufgaben übernehmen. Dieser Zirkus trägt den verheißungsvollen Namen „Tohuwabohu“ und bietet ein schräges, lustiges Programm voller phantasievoller Einfälle. Gänse reiten auf Ponys, zwei wunderschöne Schimmel tanzen Wiener Walzer, und der Zirkusdirektor tritt unter anderem auch als Wort-Akrobat auf: er lässt sich von den Besuchern Begriffe zurufen und macht dann spontan kleine Gedichte daraus. Zum Beispiel: Sommerferien.
In den Sommerferien
Fahr ich niemals nach SCHWERrin.
LEICHT ist die Reise nicht dahin,
deswegen besuche ich mal Wien.
Es gibt immer viel Applaus für diese Art der sorglosen Blitzdichterei, aber den größten Beifall bekommt immer Franz, der Sohn des Zirkusdirektors. Franz balanciert mit dem Fahrrad auf dem in mittlerer Höhe gespannten Seil, was von den meist sehr jungen Besuchern atemstockend verfolgt wird. Wenn Franz dann aber noch mit dem Tretross über seine auf dem Seil liegend balancierende Schwester springt und auf der anderen Seite sicher aufkommt, da kennt der Jubel der Anerkennung keine Grenzen mehr.
Da es sich schnell herumspricht, wenn ein Zirkus etwas Besonderes zu bieten hat, anregende Artistik zum Beispiel, angesichts welcher die Sensation erst im Kopf des Zuschauers entsteht, ist das Zelt von „Tohuwabohu“ immer bis auf den letzten Platz gefüllt.
Wo kommt der Löwe her?
So auch heute wieder: der Zirkusdirektor bedient die Stereoanlage – eine richtige Band kann sich das Unternehmen nicht leisten -, Trommelwirbel vom Band erklingt, und Franz setzt mit seinem Fahrrad wieder einmal zum Sprung an. Da erklingt durch das Mikrofon eine grelle entsetzte Stimme: „Der Löwe ist los! Der Löwe ist los!“ Franz fällt vor Schreck fast vom Seil. Und ehe der Zirkusdirektor noch rufen kann: „Wir haben doch gar keine Löwen!“, rast die Bestie bereits in die Manege. Die Kindern laufen in Panik laut schreiend aus dem Zelt. Der Zirkusdirektor schlägt verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen. So ein Vorfall kann ein Unternehmen ruinieren, denn das Gerücht macht schnell die Runde, dass die Sicherheit der Besucher nicht garantiert sei. Nur Franz behält kühlen Kopf. Erst hilft er seiner Schwester vom Seil, und dann stellt er sich kühn vor die Bestie und gibt laut und bestimmt den Befehl: Sitz!“
TEIL 2 der Geschichte
Samstag, 7. August 2010Im Zirkus ist der Löwe los Teil 2
Was bisher geschah: Während der wie immer gut besuchten Vorstellung des Zirkus „Tohuwabohu“ ertönt durch das Mikrofon eine grelle entsetzte Stimme:“Der Löwe ist los! Der Löwe ist los!“ Die Kinder verlassen panikartig das Zelt, obwohl der Zirkusdirektor ihnen nachruft:“Wir haben doch gar keine Löwen!“ Da rast die Bestie auch schon in die Manege. Nur Franz, der Sohn des Zirkusdirektors, behält einen kühlen Kopf. Er stellt sich vor die Bestie und sagt:“Sitz!“
Die Bestie erstarrt wie verwundert. Dann bequemt sie sich auf den Hinterbeinen Platz zu nehmen. Beim Löwen heisst es natürlich Hinterläufe. Aber Franz hat schnell erkannt, dass der Löwe nur – ein Hund war. „So,“ sagt Franz, jetzt nehmen wir den schrecklichen Löwenkopf einmal ab .“ Zum Vorschein kommt der treuherzige Blick eines jungen Schäferhundes. „Und jetzt,“ sagt Franz gütig, “gibt es erst einmal eine Knackwurst, und dann spielen wir Kommissar Rex. Bei Fuß! Und wo ist denn dein Herrchen?“ Der Hund trabt ergeben vor Franz her, in Richtung des Nachbardorfes. Bei einem Busch am rechten Wegesrand jault „Rex“ erfreut auf und wedelt wie verrückt mit dem Schwanz. Hervor kommt ein ziemlich zerknirschter Junge, ungefähr so alt wie Franz. Der schuldbewusste Knabe heisst Roman und dementsprechend hat er sich folgende Geschichte ausgedacht: der Zirkus seines Vaters hat den Namen „Spinelli“ und gastiert im Nachbardorf. Der Zirkus ist immer leer, weil die Konkurrenz von „Tohuwabohu“ so groß ist. Roman wollte also mit seinem bösen Streich dem Ruf des Kontrahenten schaden, um das Publikum ins Nachbardorf zu locken. Franz ist entsetzt: „Wir Zirkusleute sollten doch nicht gegeneinander kämpfen. Ich glaube immer noch daran, dass wir Artisten hart, aber ehrlich arbeiten.“ „Wir haben doch auch ein tolles Programm.“ meint Roman verzagt, „ aber alle reden nur von deinem Fahrrad-Balance-Akt, und nicht von unserer Löwendressur: unser Hund nimmt das spielerisch, er hat sich an den Löwenkopf gewöhnt und springt sogar durch brennende Reifen.“ Franz und Roman regeln die Sache wie unter Männern. Roman verspricht mit großem Ehrenwort, nie wieder so ein Ding zu drehen. Und Franz beruhigt seinen aufgebrachten Vater. Er überzeugt ihn sogar davon, dem Konkurrenz-Zirkus mit einer Gutschein-Aktion beim Kartenverkauf zu helfen.
Auf meinem Spazierweg von einem Dorf zum anderen trotten mir zwei Jungen und ein Schäferhund entgegen, der einen täuschend echt aussehenden Löwenkopf aus Pappmaché im Maul hat. „Na,“ frage ich launig, wie Erwachsene nun einmal sind, „habt Ihr den Löwen besiegt?“ „Noch nicht ganz.“ antwortet der eine Bub. „Denn der grimmigste Löwe wütet in uns drinnen: es ist der Neid.“ „Alle Achtung,“ sagte ich, „willst Du einmal Philosoph werden?“ „Nein,“ sagt der Junge, „ganz bestimmt nicht. Ich werde Zirkusdirektor.“
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